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Eindeutige Mehrheit im Stadtrat für die Kreisfreiheit

22. März 2018

Mit 32 Ja- zu zehn Nein-Stimmen hat sich gestern der Neu-Ulmer Stadtrat eindeutig dafür ausgesprochen und abgestimmt, einen Antrag zur Kreisfreiheit an die Staatsregierung zu stellen. Einige der Stadträte, die mit Nein gestimmt haben, hatten aber leider nicht den Mut, diese Entscheidung selbst zu treffen – wofür sie eigentlich gewählt sind und im Stadtrat sitzen. Entscheidungen zum Wohle der Stadt muss ein Stadtrat für sich selbst treffen. Er/sie kann sich seiner/ihrer Verantwortung nicht entziehen, indem er die Entscheidung an den Bürger zurück geben will.

Lesen Sie hier die Stellungnahme und Antragsbegründung des CSU-Fraktionsvorsitzenden, Johannes Stingl, zum entsprechenden Tagesordnungspunkt:

„Es geht bei der Frage für die Stadt Neu-Ulm, heute einen Antrag auf Kreisfreiheit auf den Weg zu bringen oder nicht, geht es nicht um Leben und Tod, sondern vielmehr um die Frage, welche die beste Verwaltungsstruktur für die Stadt und den Landkreis ist. Für die Menschen, ob nun Bürger oder Unternehmer, ob Chef oder Mitarbeiter, ist es vordringlich wichtig, dass städtische Dienstleistungen unbürokratisch, schnell und zuverlässig erbracht werden. Die jetzigen „doppelten Verantwortlichkeiten“ und Doppelstrukturen mit dem Landkreis werden den Ansprüchen einer an Einwohnern auch weiterhin wachsenden Stadt Neu-Ulm zukünftig nicht mehr gerecht. Sie bremsen die Entwicklung der Stadt und sind finanziell und organisatorisch nachteilig.

Alle Landkreise in Bayern müssen auf die Kreisangehörigkeit von Städten über 50.000 Einwohnern, zum Teil auch mit Einwohnerzahlen deutlich unter 50.000 Einwohnern, verzichten. Diese Landkreise schaffen ihre Aufgaben alleine und aus eigener Kraft – sie brauchen nicht die Unterstützung durch eine große Stadt. Warum soll das der Landkreis Neu-Ulm nicht auch schaffen? Die Stadt Neu-Ulm hat bereits in der Vergangenheit Kooperationen mit dem Landkreis vereinbart und steht hierfür auch weiterhin zur Verfügung z.B. bei den Krankenhäusern. Eine gute Nachbarschaft, die Neu-Ulm auch mit den Gemeinden im Landkreis pflegt – jüngstes Beispiel: das gemeinsame Gewerbegebiet mit Nersingen – ist nicht an die Kreiszugehörigkeit gebunden. Das zeigt die gute Praxis der Zusammenarbeit zwischen dem Stadtkreis Ulm und dem Alb-Donau-Kreis.

Die Stadt Neu-Ulm setzt ungeachtet des „Pulverdampfs“, der im Vorfeld der heutigen Entscheidung schon mächtig für Qualm gesorgt hat, auf eine weiterhin gute Nachbarschaft und wird diese auch nach der Erlangung der Kreisfreiheit garantieren.

Aus Sicht der CSU-Stadtratsfraktion sprechen 10 Punkte für einen Antrag pro Kreisfreiheit der Stadt Neu-Ulm:

1. Als kreisfreie Stadt nimmt Neu-Ulm das von der Verfassung garantierte Recht auf kommunale Selbstverwaltung und Subsidiarität wahr. Der Antrag auf Kreisfreiheit ist die konsequente Ausführung der in der bayerischen Gemeindeordnung genannten Eckpunkte für die Erlangung der Kreisfreiheit. Wichtige Entscheidungsmöglichkeiten und Verantwortung werden zur Stadt Neu-Ulm verlagert. Die Stadt Neu-Ulm verfügt über die hierfür erforderliche finanzielle Leistungskraft und die notwendige Verwaltungsstruktur.
2. Als kreisfreie Stadt wird für Neu-Ulm eine nachteilige Sonderstellung in Bayern beendet. Mit rund 60.000 Einwohnern ist Neu-Ulm die einzige Stadt Bayerns mit über 50.000 Einwohnern, die nicht kreisfrei ist, obwohl sie mit den nahegelegenen Städten wie Kempten oder Memmingen vergleichbar ist.
3. Als kreisfreie Stadt trifft der Neu-Ulmer Stadtrat alle politischen Entscheidungen zu wichtigen kommunalen Themen, die Neu-Ulmer Einwohnerinnen und Einwohner angehen, und nicht wie bisher auch der Kreistag. Die Stadt erhält Sitz und Stimme in für ihre Entwicklung wesentlichen Gremien.
4. Als kreisfreie Stadt erhält Neu-Ulm die gleichen Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten wie alle anderen kreisfreien Städte in Bayern, die zum Teil über deutlich geringere Einwohnerzahlen verfügen wie Neu-Ulm. Derartige Gestaltungsmöglichkeiten und Entwicklungschancen sind wichtig für die Zukunft Neu-Ulms.
5. Als kreisfreie Stadt kann sich Neu-Ulm auf eine bereits weitgehend passende Verwaltungsstruktur stützen. Keine andere Stadt in Bayern mit 60.000 Einwohnern ist Teil eines Landkreises.
6. Als kreisfreie Stadt kann Neu-Ulm kurze Wege, vereinfachte Abläufe und schnellen Service aus einer Hand anbieten – ein klarer Mehrwert für Bürger und Unternehmen. Neu-Ulm kann eigenverantwortlich sämtliche Angelegenheiten der Einwohnerschaft selbst regeln. Vorhandene Doppelstrukturen und -verantwortlichkeiten mit dem Landkreis werden abgebaut.
7. Als kreisfreie Stadt hat Neu-Ulm die entsprechenden Finanzmittel, um die Leistungen und die Infrastruktur für die Einwohnerschaft zu gestalten. Bisherige finanzielle Belastungen durch die Kreisangehörigkeit entfallen. 35 Millionen Euro zahlt Neu-Ulm derzeit an Kreisumlage.
8. Als kreisfreie Stadt erhält Neu-Ulm wie andere kreisfreie Städte in Bayern höhere Finanzzuweisungen vom Freistaat als Ausgleich für die erhöhten Ausgaben einer kreisfreien Stadt. Es geht dabei um rund 7,9 Millionen Euro an zusätzlichen Schlüsselzuweisungen pro Jahr, auf die Neu-Ulm wegen seiner Kreisangehörigkeit bisher verzichtet.
9. Als kreisfreie Stadt setzt Neu-Ulm weiterhin auf das gute Verhältnis zu den Nachbarstädten und -gemeinden. Eine gute Zusammenarbeit ist nicht an eine Kreiszugehörigkeit gebunden.
10. Als kreisfreie Stadt führt Neu-Ulm die bewährten Kooperationen im Landkreis Neu-Ulm fort und geht neue ein, wenn entsprechende Mitsprachemöglichkeiten bestehen. Das gilt für insbesondere für Kreiskliniken wie für alle anderen Themen von gemeinsamer Bedeutung.

Diese Sichtweise deckt sich auch mit den allgemeinen Erkenntnissen aus dem Vortrag von Prof. Dr. Rosenfeld bei der Klausurtagung des Stadtrats.

Zum Verfahren lassen Sie mich folgendes bemerken:

Wir sind davon überzeugt, dass die Frage der Antragsstellung in der heutigen Sitzung entschieden werden kann.

Es kann keine Rede davon sein, dass es sich bei der Entscheidungsvorbereitung durch die Verwaltung und den Stadtrat um ein „Eilverfahren“ handelt. Das genaue Gegenteil ist richtig: Seit der ersten Befassung des Stadtrats mit Beschlussfassung am 30.11.2016 (Antrag auf Kreisaustritt im Jahr 2026), den jeweils in den Sitzungen am 26.7. und 30.11.2017 vom Stadtrat mit großer Mehrheit erteilten Aufträgen zur Vorbereitung eines Antrags auf Kreisfreiheit, den Bürgerinformationen, den Bürgerdialogen, den parteiinternen Veranstaltungen, haben wir bis heute 16 Monate Verfahrensdauer durchlaufen. Die in dieser Zeit erarbeiteten und heute vorliegenden Unterlagen sind schlüssig. Sie belegen, dass die Antragsvoraussetzungen erfüllt sind. Einen höheren Erkenntniswert werden wir auch wegen der stagnierenden Verhandlungen mit dem Landkreis nicht mehr erhalten. Es ist damit an der Zeit, den Antrag auf Kreisfreiheit zur Prüfung an die Staatsregierung weiterzuleiten. Dort werden die Voraussetzungen für die Kreisfreiheit sowohl für die Stadt als auch die Auswirkungen auf den Kreis Neu-Ulm eingehend und mit großem Sachverstand geprüft. Allen, die sich mit der Kreisfreiheit kritisch befasst haben, sei gedankt und sei auch gesagt, dass sich die Stadt Neu-Ulm mit dem Antrag gegenüber der Staatsregierung und dem Landtag in die immer geforderte Beweispflicht für die Kreisfreiheit begibt und damit einem eingehenden Prüfungsverfahren entgegensieht.

Wir sind der Meinung, dass die Entscheidung über die Frage der Antragstellung vom Stadtrat getroffen werden sollte. Der Stadtrat ist nach der bayerischen Kommunalverfassung das demokratisch legitimierte Vertretungsorgan der Bürger. Der Stadtrat ist das Hauptorgan der Stadt, der Stadtrat legt die Grundsätze für die Verwaltung fest und entscheidet über alle Angelegenheiten der Stadt, insbesondere wenn es sich um strategische Grundsatzentscheidungen wie die der Kreisfreiheit handelt. Uns hat sehr verwundert, wie leichtfertig in der öffentlichen Diskussion dieses Entscheidungsrecht des Stadtrats zur Disposition gestellt wurde und wie schnell zumindest Teile des Stadtrats ihre Entscheidungskompetenz in Richtung Bürgerinitiative oder Ratsbegehren „an den Nagel hängen wollen“. Auch wenn es für das Verfahren zur Kreisfreiheit keine „Blaupause“ gibt, sollten wir uns an der Entscheidungsfindung der Stadt Reutlingen orientieren: Dort hat der Stadtrat am 23.7.2015 beschlossen, den Antrag auf Kreisfreiheit an das Land zu richten, und dies bei deutlich ungünstigeren gesetzlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen als in Neu-Ulm.

Wir werden uns heute der Entscheidung über die Antragsstellung nicht entziehen!

Die CSU-Stadtratsfraktion sieht den gemeinsam mit der Fraktion PRO NEU-ULM gestellten Antrag in der Verwaltungsvorlage als abgebildet an und befürwortet den entsprechenden Beschlussvorschlag.“