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Wohnbauvorhaben in Pfuhl wird kritisch gesehen

2. April 2020

Zentrale Frage ist, ob sich das geplante Wohnhaus mit seinen acht Wohneinheiten und Tiefgarage in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, die ja ganz wesentlich von der Landwirtschaft im Westen auf dem Nachbargrundstück geprägt wird.

TOP 4.1. Stadtrat am 31.3.2020, Bauvorhaben „Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses (8 WE) und einer Tiefgarage mit 12 Stellplätzen, Pfuhl, Kirchstraße 22

Stellungnahme der CSU-Fraktion:

„Zentrale Frage ist, ob sich das geplante Wohnhaus mit seinen 8 Wohneinheiten und Tiefgarage in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, die ja ganz wesentlich von der Landwirtschaft im Westen auf dem Nachbargrundstück geprägt wird.

Zum Merkmal des „Einfügens“ im Sinn von § 34 Abs. 1 S.1 BauGB gehört ganz wesentlich das Rücksichtnahmegebot. Ein Bauvorhaben „fügt“ sich danach nur dann in die vorhandene Umgebungsbebauung ein, wenn es die gebotene Rücksicht auf die bereits vorhandene Nachbarbebauung nimmt.

Nun soll mit ca. acht Metern Abstand zwischen der Außenwand des Rinderstalls und des geplanten Wohnhauses ein Wohnbauvorhaben mit möglicherweise acht neuen Eigentümern entstehen, durch das die benachbarte Landwirtschaft, insbesondere der Hofnachfolger, die Existenz der Landwirtschaft bedroht sieht.

Uns hat überrascht, in welcher Weise sich die Beschlussvorlage der Verwaltung das Ergebnis des vom Bauherrn beauftragten Geruchsgutachten zu eigen macht, worin der Gutachter auf einen ausreichenden Gebäudeabstand von acht Metern bei immerhin geforderter zusätzlicher Festverglasung auf der Westseite inkl. Dachgeschoßfenster kommt. Die Bewertung des Gutachters, „bestimmte Fenster sind nicht-öffenbar auszuführen“ wird überraschenderweise zudem laut Beratungsunterlage nicht von der hiesigen „Bauordnung“ gefordert, bleibt also wohl dem Ermessen des Bauherrn überlassen.
Für die Freisitze und Balkone an den beiden Giebelsitzen bleibt es bei öffenbaren Fenstern und Türen.

Das Landwirtschaftsamt und der Bauernverband kommen da zu ganz anderen Ergebnissen:

  • LWA: Selbst bei kleinen Rinderbeständen sind bis zu einem Abstand von 20 m schädliche Umwelteinwirkungen zu vermuten.
  • BBV: laut Arbeitskreis Immissionsschutz in der Landwirtschaft bei 27 GVE mindestens 12 bis 15 m Abstand

Beim Bauvorhaben der Fa. Nägele in der Kirchstraße waren die geforderten Abstände bei eigentlich geringerer Rinderzahl des Landwirts zum im Westen gelegenen Wohnbau deutlich größer (mindestens 26 m bis zur Grenze).

Ein weiteres Problem des vom Bauherrn beauftragten Gutachtens besteht aus unserer Sicht darin, dass nur vom bestehenden Viehbestand und zudem noch ohne Güllegruben und Silo die Dinge betrachtet wurden.

Das heißt, es werden damit keine Entwicklungsmöglichkeiten für die benachbarte Landwirtschaft mehr zugestanden, so dass selbst absehbare Änderungen wie die Abkehr von der „Anbindehaltung“ oder ein gewisser Freilauf für das Jungvieh nicht mehr unter den Bestandsschutz fallen würden. Gewisse Nutzungsänderungen, Erweiterungen bzw. ein Ersatzbau scheiden aus.

Wir sehen damit das Merkmal des „Sicheinfügens“ und der gebotenen Rücksichtnahme des geplanten Wohnhauses auf die Landwirtschaft und des daraus resultierenden mangelnden Bestandsschutzes für die Landwirtschaft als nicht gegeben an und werden dem Bauvorhaben in dieser Form nicht zustimmen.

Einige Fragen am Rande möchte wir zudem noch stellen:

  1. Laut Beratungsunterlage besteht „abweichende Bauweise“, werden die gesetzlichen Grenzabstände eingehalten?
  2. Beim Bauvorhaben der Fa. Nägele in der Kirchstraße wurde „Giebelständigkeit“ zur Kirchstraße gefordert, weil eigentlich die allermeisten Gebäude in der Kirchstraße so stehen. Die Fa. Nägele hatte damals die Dachlandschaft umgeplant in Richtung Giebel zur Kirchstraße. Das in Rede stehende Gebäude soll nun „traufständig“ zur Kirchstraße gebaut werden. Warum wird nun hier auf die seinerzeit geforderte Umplanung auf Giebelständigkeit verzichtet?
  3. Funktionieren die vier Duplexgaragen im Sinne von vernünftiger Nutzbarkeit bei einer Höhe von ca. 2,50 m in der Tiefgarage? Beim Bauvorhaben der Fa. Nägele in der Kirchstraße gibt es nur „normale“ Stellplätze in der Tiefgarage. Wenn die Bewohner des Wohnhauses in der Schulstraße, die durch den Hof der Landwirtschaft verläuft, auch noch anfangen außen zu parken, geht beim Hinein- und Herausfahren mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen nicht mehr viel.“

Johannes Stingl

Fußnoten:

Merkmal „Einfügen“ iSv § 34 I 1 BauGB
Das BVerwG hat im Merkmal des „Einfügens“ iSv § 34 I 1 BauGB mithilfe der Auslegungsregel des Rücksichtnahmegebots die drittschützende Wirkung dieser Vorschrift erkannt. Ein Bauvorhaben „fügt“ sich danach nur dann in die vorhandene Umgebungsbebauung ein, wenn es die gebotene Rücksicht auf die bereits vorhandene Nachbarbebauung nimmt (Battis/Krautzberger/Löhr, § 34 Rn. 17). Das wird auch durch die Regelung über den Dispens von dem Erfordernis des „Einfügens“ in § 34 IIIa Nr.3 BauGB deutlich, der von der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ spricht.
Passiver Bestandsschutz
Die abwehrende (passive) Funktion des Bestandsschutzes besteht darin, dass sie dem Eigentümer das Recht gewährt, einen seinerzeit rechtmäßigen baulichen Zustand erhalten zu dürfen. Dem passiven Bestandsschutz kommt damit eine Abwehrfunktion gegenüber bauaufsichtlichen Maßnahmen der Bauaufsichtsbehörde (Art. 75, 76 BayBO) zu. Der passive Bestandsschutz beschränkt sich allerdings in seinem Umfang auf den Schutz des Vorhandenen. Ein Anspruch auf Genehmigung einer ursprünglich materiell legalen baulichen Anlage kann aus ihm nicht abgeleitet werden. Ebenfalls enthält er keinen Anspruch auf Änderung einer ausgeübten Nutzung bzw. auf eine Erweiterung oder einen Ersatzbau. Passiver Bestandsschutz ist damit in erster Linie Bestandsnutzungsschutz.
Aktiver Bestandsschutz
Der Terminus aktiver Bestandsschutz beschränkt sich nicht auf die abwehrende Funktion, sondern wirft die Frage auf, ob dem Eigentümer das Recht zukommt, eine einmal baurechtlicher Legalität unterfallende bauliche Anlage auch nach zwischenzeitlich eingetretener Rechtsänderung in ihrer Nutzung abzuändern, sie zu erweitern bzw. einen Ersatzbau zu errichten.