Erster Schritt zur Kreisfreiheit
27. Juli 2017Die CSU-Fraktion hat in der gestrigen Sitzung des Stadtrates für die weitere Ausarbeitung eines Antrags zur Kreisfreiheit gestimmt. Welche Vor- oder Nachteile sieht die Fraktion darin?
Sitzung des Stadtrats am 26. Juli 2017, Tagesordnungspunkt 4, Kreisangehörigkeit und Kreisfreiheit
Stellungnahme der CSU-Stadtratsfraktion:
„Besten Dank für den Zwischenbericht zu den Chancen und Risiken der Kreisfreiheit für die Stadt Neu-Ulm.
Erfreulich ist, dass die positive Gesamtentwicklung, die wachsende Bedeutung unserer Stadt in der Region, die Rolle der Stadt Neu-Ulm im Oberzentrum Neu-Ulm/Ulm und im Kreis Neu-Ulm, mittlerweile verschiedene strategische Überlegungen zu lässt, die wir mit einem vernünftigen Maß an Visionen für die Zukunft Neu-Ulms auch sorgfältig erwägen wollen. Dies ist aus unserer Sicht Aufgabe der Stadtpolitik und des Stadtrats. Nachdem die Stadt Neu-Ulm in vielen Bereichen bereits wie eine kreisfreie Stadt agiert, sind die Überlegungen zur Kreisfreiheit konsequent und logisch.
Mit dem Auftrag an die Verwaltung in den nächsten Monaten einen Antrag aus zu arbeiten, geht es heute natürlich auch um eine gewisse Richtungsentscheidung des Stadtrats wie die strategische Ausrichtung der Stadt in Zukunft aussehen soll und um die Frage, ob die Stadt für Ihre Bürger/innen und die örtliche Wirtschaft weitere Verwaltungsdienstleistungen übernehmen soll.
Der Stadtrat wird dann erneut darüber befinden müssen, ob dieser Antrag entlang ggf. neuer Erkenntnisse in den kommenden Monaten dann tatsächlich auch gestellt wird oder eben doch nicht.
Die finale Entscheidung über die Kreisfreiheit trifft ohnehin der Landtag.
Warum sollte die Stadt Neu-Ulm die Kreisfreiheit anstreben?
Die Vorteile, die die Stadt Neu-Ulm für ihre Einwohner und Einwohnerinnen als kreisfreie Stadt erhalten könnte, sind für die CSU-Stadtratsfraktion die Motivation, sich mit diesem wichtigen Thema und seinen möglichen Konsequenzen intensiv auseinander zu setzen.
Als kreisfreie Stadt kann die Stadt Neu-Ulm alle kommunalen Dienstleistungen und Verwaltungsleistungen für ihre Einwohnerschaft und die örtliche Wirtschaft aus einer Hand in eigener Zuständigkeit anbieten und erledigen. Dieses Aufgabenspektrum geht vom Öffentlichen Personennahverkehr (Bemerkung: der ÖPNV in einer Stadt hat andere Anforderungen wie in einem Flächenkreis) über die Gymnasien und Realschulen (Bemerkung: die Schulträgerschaft hängt ganz eng mit der Gestaltung der örtlichen Bildungslandschaft zusammen), Jugend- und Sozialhilfe (Bemerkung: die gesamte sozialräumliche Planung und der Vollzug können stadtspezifisch ausgerichtet werden) bis hin zu Genehmigungszuständigkeiten, die eng mit der Baurechtsbehörde der Stadt Neu-Ulm zu tun haben wie Wasserrecht, Naturschutz und Immissionsschutz. Dies sind momentan alles Aufgaben, die der Landkreis bzw. das Landratsamt Neu-Ulm für die Stadt entscheiden. Im Falle der Kreisfreiheit für Neu-Ulm könnten die bisher vom Landratsamt wahrgenommenen Aufgaben besser bei der Stadt gebündelt, und stärker an den Bedürfnissen der Neu-Ulmer Bürger/innen und Gewerbetreibenden orientiert werden. Es bietet sich auch die gute Chance, Verwaltungsstrukturen schlanker, effizienter, effektiver und insgesamt bürgernäher zu organisieren. Die Stadt Neu-Ulm erhält damit die Möglichkeit „aus einem Guß“ zu entscheiden und könnte damit alle für die Stadt wichtigen Aufgaben entlang der Interessen ihrer Bürgerschaft und ihrer Wirtschaft nicht nur beeinflussen, sondern in eigener Verantwortung entscheiden.
Mit der Übernahme dieser Aufgaben wird die Stadtverwaltung zu einem umfassenden Dienstleistungszentrum für ihre Bürgerinnen/Bürger und die Wirtschaft.
Dies ist einer kreisangehörigen Stadt Neu-Ulm momentan nur bedingt möglich.
Finanzielle und organisatorische Auswirkungen
Die Umsetzung der Kreisfreiheit löst in unserer Stadtverwaltung eine Verwaltungsreform Nr. 2 aus. Wir gehen davon aus, dass die finanziellen und organisatorischen Auswirkungen dieser Verwaltungsreform im Grundsatz beherrschbar sind. Die Aussagen zu den finanziellen Folgen wurden mit großer Akribie ermittelt, sind aber nach dem derzeitigen Stand sicherlich noch mit Vorsicht zu betrachten und müssen in den nächsten Monaten angepasst und fortgeschrieben werden. Dazu bestehen in den kommenden Monaten bis zur Entscheidung über die eigentliche Antragstellung noch genügend Möglichkeiten, um nach zu steuern.
Wir haben Verständnis für die Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung und des Landratsamts, bei denen die Aussicht auf eine Verwaltungsreform möglicherweise Befürchtungen auslöst. Wir sprechen uns klar für eine mitarbeiterfreundliche und sozialverträgliche Umsetzung dieser Verwaltungsreform aus.
Status Große Kreisstadt
Die aktuelle Bevölkerungsprognose für die Stadt Neu-Ulm bis 2036 ergibt, dass die Gesamtbevölkerung von derzeit etwa 57.000 Einwohnern auf voraussichtlich 67.000 Einwohner ansteigen wird.
Die Stadt Neu-Ulm passt mit ihrer Einwohnerzahl nicht mehr in die Gruppe der Großen Kreisstädte.
Die Stadt Neu-Ulm gehört mit ihren etwas über 57.000 Einwohnern zur Gruppe der Großen Kreisstädte. Große Kreisstädte sind kreisangehörige Städte mit besonderer Rechtsstellung. Sie erfüllen im übertragenen Wirkungskreis bestimmte Aufgaben, die sonst vom Landratsamt als der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde wahrzunehmen sind. Dazu zählen unter anderem die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde und der unteren Straßenverkehrsbehörde. Zu den 29 Großen Kreisstädten in Bayern gehört auch die Stadt Neu-Ulm.
Die Stadt Neu-Ulm ist die mit Abstand einwohnerstärkste Stadt unter den Großen Kreisstädten Bayerns. Neu-Ulm hat über 10.000 Einwohner mehr als die einwohnermäßig an zweiter Stelle unter den Großen Kreisstädten rangierende Stadt Freising mit 46.963 Einwohnern. Rottenburg ob der Tauber als die einwohnermäßig kleinste Große Kreisstadt hat lediglich etwas über 11.000 Einwohner. Neu-Ulm passt einwohnermäßig nicht mehr so recht in die Gruppe der Großen Kreisstädte.
Von den 25 kreisfreien Städten haben 11 Städte eine zum Teil deutlich niedrigere Einwohnerzahl als die Stadt Neu-Ulm mit ihren gegenwärtig rund 57.000 Einwohnern. Die Stadt Neu-Ulm würde sich damit schon hinsichtlich der Einwohnerzahl gut in die Reihe der kreisfreien Städte einfügen, zumal nach der neuen Bevölkerungsprognose für Neu-Ulm die Stadt Rosenheim mit knapp 62.000 Einwohnern und auch die Stadt Kempten mit knapp 67.000 Einwohnern nicht „außer Reichweite“ liegen.
Enge Zusammenarbeit in der Region ist weiterhin notwendig.
Wir setzen bei Erlangung der Kreisfreiheit auf eine Fortsetzung der guten Zusammenarbeit in der Region.
Für die Intensivierung der Zusammenarbeit und die gemeinsame Positionierung mit der Stadt Ulm eröffnet die Kreisfreiheit neue Perspektiven.
Die Zusammenarbeit mit dem Kreis Neu-Ulm ist weiterhin notwendig, beispielsweise im Schulbereich und bei den Kreiskrankenhäusern.
Der Kreis ist im Übrigen keine „Solidargemeinschaft“ in dem Sinne, dass die Stadt Neu-Ulm auf immer und ewig in diesem Kreis bleiben muss. Der Kreis ist ein Verband von Gemeinden und Städten, hat eigene Organe, trifft eigene Entscheidungen, die die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in dieser oder jener Form betreffen.
Die Kreisfreiheit ist für uns kein Instrument, um sich finanziell zu entlasten, wir möchten aber dass wir die eigenen Finanzen auch eigenständig entscheiden können.
Verwaltungsdienstleistungen sollten auf der Ebene angesiedelt werden, die dem Bürger/der Bürgerin und der Wirtschaft am nächsten ist, das ist klar die Ebene der Stadt.
Wohlmeinende Hinweise, wonach für Verwaltungsleistungen größere Einheiten an zu streben seien, begünstigen umgekehrt dann “bürgerfernere Entscheidungen“ entscheiden, das kann ernsthaft niemand wollen.
Fazit
Insgesamt bringt die Kreisfreiheit der Stadt Neu-Ulm entscheidende Vorteile in der strategischen Positionierung und damit Wettbewerbsvorteile im Wettbewerb mit anderen Regionen.
Die Kreisfreiheit bringt eine verbesserte Dienstleistungsqualität bei den Verwaltungsangelegenheiten für die Bürger/innen und die Wirtschaft in der Stadt.
Ein Aufschieben der Entscheidung, die Verwaltung zunächst mal mit der Vorbereitung eines entsprechenden Antrags zu beauftragen, um noch weitere Gutachten ab zu warten, bringt uns nicht weiter.
Die Bürgerbeteiligung zur Information und Diskussion rund um das Thema sollte nach den Erkenntnissen aus den beiden Bürgerversammlungen dann nochmals intensiviert werden. Diese Botschaft der Bürger ist bei uns angekommen.
Wir sollten heute die Entscheidung für einen ersten Schritt in Richtung Kreisfreiheit mit Zuversicht und einer Portion Mut im Stadtrat treffen.
Die CSU-Fraktion wird dem Beschlussvorschlag, die Verwaltung mit der Ausarbeitung eines Antrags auf Kreisfreiheit zu beauftragen im übrigen zustimmen.
Johannes Stingl“