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Kommunale Finanzen im freien Fall

19. Dezember 2024

Beschluss für einen „auf Kante genähten Interimshaushalt“, dessen Haltbarkeitsdatum leider in erster Linie von der künftigen Höhe der Kreisumlage abhängt, war erforderlich. Eine selbstverständlich sehr schwierige und unbefriedigende Situation.

Stadtrat am 18.12.2024, Tagesordnungspunkt 3: Haushaltssatzung 2025 und Finanzplan 2024-2028.

 Stellungnahme der CSU-Fraktion:

„Besten Dank für die wie gewohnt frühzeitige Vorlage der Haushaltssatzung. Bei der Einbringung des Haushalts am 6. November 2024 haben wir die Haushaltssituation 2025 noch so eingeschätzt, dass es sich um einen „außergewöhnlichen Haushalt in außergewöhnlich schwierigen Zeiten“ handelt. „Außergewöhnlich“ durch das große Haushaltsvolumen, die schwache Zuführung vom Verwaltungshaushalt nur in Höhe der gesetzlichen Mindestzuführung, ohne Kreditaufnahme und Rücklagenentnahme.

Mittlerweile betrachten wir den vorliegenden Haushalt 2025 eher als einen unter großen Anstrengungen „auf Kante genähten Interimshaushalt“, dessen Haltbarkeitsdatum leider in erster Linie von der künftigen Höhe der Kreisumlage abhängt. Dies ist selbstverständlich eine sehr schwierige und unbefriedigende Situation.

Wir danken in diesen schwierigen Zeiten ausdrücklich dem Kämmerei -Team rund um Frau Sigune Kling und der gesamten Verwaltung, denen es gemeinsam mit einer außergewöhnlichen Kraftanstrengung gelungen ist, das Beste an Haushalt auf den Weg zu bringen, was in dieser Situation zu machen war. Besonderer Dank auch für die „letzte Sparrunde“. Ohne ihre Sparmaßnahmen zur Kompensation u.a. der rückläufigen Einkommenssteueranteile und Schlüsselzuweisungen hätten wir heute keinen genehmigungsfähigen Haushalt.

Lassen Sie mich auf ein paar Punkte zu den Rahmenbedingungen für unseren Haushalt besonders eingehen:

  1. „Kommunale Finanzen im freien Fall“ (…damit auch in Neu-Ulm“)

„Kommunale Finanzen im freien Fallhat der Deutsche Städte- und Gemeindebund in seiner Pressemitteilung vom 2.10.2024 getitelt. Das aktuelle Defizit bei den Kommunen lag damals bereits bei 17,2 Milliarden € (im Vergleich zu 2023 mit 7,3 Milliarden €) Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sah bei dieser Entwicklung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die notwendigen Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Klimaschutz gefährdet.

Beim Finanzgipfel der bayerischen Landräte mit den Regierungsfraktionen am 22. Oktober 2024 herrschte für die Landkreise „Alarmstufe Rot“ und es wurde die Unterstützung vom Freistaat Bayern eingefordert. Die Hauptursachen für die Schieflage der Kreisfinanzen sind klar: Die Ausgaben für soziale Leistungen, insbesondere die Kinder- und Jugendhilfe, sowie die Integration von Flüchtlingen sind stark gestiegen. Allein zwischen 2019 und 2022 erhöhten sich die Kosten für die Kinder- und Jugendhilfe um über 110 Millionen Euro auf rund 1,14 Milliarden Euro. Die zunehmende Aufgabenbelastung führt dazu, dass die Personalausgaben von 2018 bis 2023 um etwa 530 Millionen Euro gewachsen sind, was einer Steigerung von 35 Prozent entspricht. Mit über 5 Milliarden Euro alleine im 1. Halbjahr 2024 erreichte das kommunale Finanzierungsdefizit einen neuen Negativrekord.

Die konjunkturelle Entwicklung, die Verunsicherung der Wirtschaft und der fortschreitende Vertrauensverlust in die Finanz- und Wirtschaftspolitik des Bundes wirken sich natürlich auf die Kommunalfinanzen aus.

  1. Der Kommunale Finanzausgleich und der außergewöhnlich gute Jahresabschluss 2023

Die Einigung zum kommunalen Finanzausgleich zwischen dem Freistaat und den Kommunalen Landesverbänden vom 4. November 2024 war, den kommunalen Finanzausgleich 2025 auf knapp 12 Mrd. € zu erhöhen. Dies reicht im Falle der Stadt Neu-Ulm offensichtlich nicht aus, um die beabsichtigte Stärkung des Verwaltungshalts wirksam umzusetzen. Der Kommunalanteil am allgemeinen Steuerverband wurde von 12,75 % auf 13,0 % angehoben. Die Schlüsselzuweisungen, welche den Kommunen als freie Deckungsmittel zur Verfügung gestellt werden, stiegen um 408 Millionen auf über 4,85 Milliarden € an. Der Freistaat hat damit zumindest der Notwendigkeit Rechnung getragen, die kommunalen Finanzen zu stabilisieren.

Die Erhöhung des Kommunalanteils am Steuerverbund von 12,75 % auf 13 % und weitere 60 Mio € bringen für die Kommunen 2025 insgesamt über 600 Millionen mehr. Der Kommunalteil erhöht sich damit auf knapp 12 Milliarden €.

Diese „Morgengabe“ des Freistaats erreicht uns wegen der hervorragenden Jahresabschlüsse 2022 und 2023 und der Ausgleichsmechanismen des Finanzausgleichs nicht so, wie wir es brauchen würden.

(Zum Jahresabschluss 2023: Wie im Vorjahr bei der Jahresrechnung 2022 freuen wir uns wiederum über die positiven Eckwerte der Jahresrechnung 2023 unseres „258 Mio-Haushalts“ mit einer im Vergleich zur Haushaltsplanung deutlich erhöhten Zuführung von 25,1 Mio € (geplant 7,6 Mio €), einer um ca. 7 Mio € verminderten Entnahme aus der Allgemeinen Rücklage, (entnommen 16,7 Mio €), Stand 31.12.2023: 45,68 Mio € und einer reduzierten Schuldenbelastung auf gesamt 23,8 Mio €).

  1. Verteilungskämpfe zwischen den Ebenen des Staates werden härter

Die Verteilungskämpfe zwischen den Ebenen des Staates werden härter, weil uns auf allen Ebenen die Kosten davonlaufen und die Einnahmen nicht mehr ausreichen. Wir müssen deshalb im Schulterschluss von Staat und Kommunen, Standard senken und Kosten reduzieren, um mit dem zur Verfügung stehenden Geld auszukommen.

Es ist dringend erforderlich, dass der Bund endlich seiner Verantwortung gegenüber den Kommunen nachkommt und einen wirksamen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen leistet. Dazu gehören vor allem die längst überfällige wirkungsvolle Eindämmung der illegalen Migration und auch eine auskömmlich Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser.

Der Forderungen des DStGB nach einem Moratorium für die Übertragung neuer Aufgaben auf die Kommunen und zur Einhaltung „echter Konnexität“ d.h. wer bestellt, zahlt auch sind mehr als berechtigt.

  1. Kreisumlage

Zu einem „besonderen Verteilungswettstreit“ droht die Kreisumlage des Landkreises Neu-Ulm für die Stadt zu werden. Über die Südwest-Presse vom 10.12.2024 haben wir vom Kreiskämmerer aus erster Hand erfahren: „Möglicherweise kommt es weniger schlimm für die Stadt. Das sagt der Kreis-Kämmerer dazu“. Über 52 Millionen Euro muss Neu-Ulm 2025 an den Landkreis abführen, es könnte noch mehr werden, fürchten die Stadträte. Da helfen uns solche Ansagen zu einem Zeitpunkt, zu dem der Stadtrat 8 Tage später den Stadthaushalt beschließen will, nicht weiter. Dass es auch anders geht, zeigt der Landkreis Günzburg. In der Günzburger Zeitung vom 17.12.2024 wird berichtet, dass Landrat und Kämmerer in öffentlicher Sitzung die voraussichtlichen Eckdaten des Kreishaushalts 2025 bekanntgegeben haben.

Ein Punkt Kreisumlage machen für unseren Haushalt etwa eine Mio € aus.

Die phasenweise in Rede stehende Erhöhung zwischen 4 und 8 Punkten sind für den Stadthaushalt nicht verkraftbar. Der Landkreis muss eigene Konsolidierungsmaßnahmen ergreifen, bevor die Kreisumlage zu Lasten der umlagezahlenden Kommunen erhöht wird.

Der Finanzausschuss des Stadtrats hat am 3. 12.2024 deswegen in Bezug zur Kreisumlage beschlossen:

„Der Landkreis bleibt dazu angehalten, im Vorfeld des Beschlusses zum Hebesatz für die Kreisumlage 2025 durch eigene, wirksame Konsolidierungsmaßnahmen im Kreishaushalt 2025 in größtmöglichen Umfang auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Städte und Gemeinden Rücksicht zu nehmen“.

Übrigens: Der Kreistag des Alb-Donau-Kreises hat den Kreishaushalt vorgestern beschlossen (Bericht Südwest-Presse vom 17.12.2024: 1 Punkt Kreisumlage, Krankenhausdefizit 9,5 Mio €). Das wären „paradiesische Verhältnisse“, wenn wir dies auch so in Neu-Ulm hätten.

  1. Die Hausaufgaben der Stadt Neu-Ulm

 Wir haben im Vorfeld und während der Haushaltsberatungen bis heute viele unserer Hausaufgaben erledigen können. Es ist gelungen, durch eigene Konsolidierungsmaßnahmen die Rückgänge von Gewerbesteuer, Einkommensteueranteil und Schlüsselzuweisungen zu kompensieren, eine maßvolle Erhöhung der Kreisumlage um 1 Punkt zu berücksichtigen und die SWU-Anteilserhöhung zu finanzieren. Gleichsam erfüllen wir unsere Aufgaben zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, Betreuung und Bildung von Kindern/Jugendlichen, KiTas, Schulen, Infrastruktur und ÖPNV auf hohem Niveau:

  • Ein Rekordhaushalt mit 316,47 Mio €, im Verwaltungshaushalt 228,9 Mio € und 87,5 Mio € im Vermögenshaushalt
  • Zugebenermaßen strukturelle Probleme im Haushalt, die nicht befriedigend gelöst werden konnten wie niedrige Zuführungsrate (Mindestzuführung), hohe Kreditaufnahmen von 38,4 Mio € (27,4 Mio € plus restliche Kreditermächtigung von 11,18 Mio €), Rücklagenentnahme

und dies auch im Finanzplanungszeitraum.

Die mittelfristige Finanzplanung zum Haushaltsplan 2025 sieht für die Jahre 2026-2028 vor, dass die geplanten Zuführungsraten vom Verwaltungshaushalt in den Vermögenshaushalt, lediglich die etwaige Höhe der Mindestzuführung erreichen werden. (2026: 3,67 Mio €, 2027: 3,04 Mio €, 2028: 3,15 Mio €). In diesen Jahren erfolgt gleichzeitig jeweils eine Zuführung des Vermögenshaushalts zum Verwaltungshaushalt in Höhe von 6,558 Mio € / 3,626 Mio € /4,282 Mio €) In den Jahren 2026-28 weist der Finanzplan für die Jahre 2026 und 27 weiterhin hohe Investitionen in Baumaßnahmen, weitere Kreditaufnahmen im Jahr 2027 und Rücklagenentnahmen aus, die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Verwaltungshaushalts haben werden. Hier gilt es gegen zu steuern.

Der Finanzausschuss des Stadtrats hat am 3.12.2024 daher zur weiteren Haushaltskonsolidierung beschlossen:

Die Verwaltung wird beauftragt, in einem Konsolidierungskonzept baldmöglichst, spätestens jedoch bis zur Sommerpause 2025, weitere Maßnahmen vorzuschlagen, die geeignet sind, die Leistungsfähigkeit des städtischen Verwaltungshaushalts für den Finanzplanungszeitraum 2026 bis zu 2028 zu verbessern. Ziel des Konsolidierungskonzepts sollte es sein, die Leitungsfähigkeit des Verwaltungshaushalts so zu verbessern, dass der Verwaltungshaushalt in den Jahren 2026 – 2028 die Mindestzuführungsrate möglichst ohne Zuführungen aus dem Vermögenshaushalt erwirtschaftet wird.

Fazit:

Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt und einen genehmigungsfähigen Haushalt aufgestellt.

Wir werden dem Beschlussvorschlag so zustimmen.“

Johannes Stingl

Die Haushaltssatzung 2025 einschließlich des Finanzplans 2024 – 2028 wurde vom Stadtrat mit großer Mehrheit (32 Ja- und 8  Nein-Stimmen)

(Foto: Symbolbild)