Zurück

Kreisfreiheit nach Gesetzeslage entscheiden, nicht nach Gefühl

10. Mai 2019

Bei uns herrscht Verwunderung über die Aussage eines Abgeordneten der Freien Wähler-Landtagsfraktion, der einen sehr lockeren Umgang mit den gesetzlichen Anforderungen zur Kreisfreiheit und vor allem mit dem Recht der Stadt auf kommunale Selbstverwaltung pflegt. Im Gegenzug dazu hat der Vorsitzende des Innenausschusses, der Abgeordnete der Grünen Martin Runge, die Situation sehr sachlich beurteilt. Und dieser Beurteilung können wir uns anschließen.

Stadtrat am 09.05.2019, TOP 9 Kreisfreiheit, Bericht zum aktuellen Sachstand
Stellungnahme der CSU-Stadtratsfraktion Neu-Ulm:

„Herr Oberbürgermeister Noerenberg, Herr Stier, Herr Bullinger,
besten Dank für den Bericht über den Sachstand zur Kreisfreiheit.

Gemessen am Schreiben der Regierung von Schwaben vom Dezember 2018 haben wir eine deutliche Verdichtung der organisatorischen und finanziellen Überlegungen erreicht, so dass die Regierung von Schwaben in Bälde ihre Stellungnahme an das Innenministerium abgeben kann.
Gemessen an dem zwischenzeitlich oftmals zitierten und damit „stark strapazierten“ Artikel 5 Abs. 3 der Bayerischen Gemeindeordnung

  • >>(3) Mit Zustimmung des Landtags können Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern bei entsprechender Bedeutung nach Anhörung des Kreistags durch Rechtsverordnung der Staatsregierung für kreisfrei erklärt werden. Hierbei ist auf die Leistungsfähigkeit des Landkreises Rücksicht zu nehmen. Die Rechtsverordnung kann finanzielle Verpflichtungen der ausscheidenden Gemeinde gegenüber dem Landkreis festlegen. Im Übrigen werden die vermögensrechtlichen Verhältnisse durch Übereinkunft zwischen dem Landkreis und der ausscheidenden Gemeinde geregelt. Der Übereinkunft kommt mit dem in ihr bestimmten Zeitpunkt, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Rechtsverordnung, unmittelbar rechtsbegründende Wirkung zu. Kommt eine Übereinkunft nicht zustande, so entscheiden das Verwaltungsgericht und in der Berufungsinstanz der Verwaltungsgerichtshof als Schiedsgerichte<<

belegen die sehr detaillierten Erhebungen der Stadtkämmerei, dass die Leistungsfähigkeit des verbleibenden Landkreises und der Stadt Neu-Ulm für den Fall der Kreisfreiheit erhalten bleiben würden. Die entsprechenden Unterlagen wurden der Regierung von Schwaben bereits vorgestellt.

Unter dem Strich sind damit die gesetzlichen Kriterien für die Kreisfreiheit der Stadt Neu-Ulm wie Einwohnerzahl, Bedeutung und vor allem die finanzielle Leistungsfähigkeit des Kreises nachweisbar.

Erstaunt sind wir über das jüngste Vorgehen der Freien Wähler-Landtagsfraktion. Ein Abgeordneter verkündet im Auftrag der Fraktion, dass neben den in der Gemeindeordnung genannten gesetzlichen Kriterien nun noch „politische Komponenten“ eröffnet werden, die einer Kreisfreiheit nach Sichtweise der FW-Fraktion im Wege stünden.

Kriterien wie „das Neu-Ulmer Freiheitsstreben sei angesichts von rund 60 000 Einwohner „legitim“, doch gebe es hier eben eine „Sondersituation“: Zum einen sei der Landkreis seit der Gebietsreform 1972 als Gemeinschaft erfolgreich gewesen, habe es zu einem der finanzstärksten Landkreise in Bayern gebracht. Zum anderen würde Neu-Ulm als Stadt allein der „sehr selbstbewussten Reichsstadt“ Ulm gegenüberstehen und könne hier nur verlieren“

oder

die in vielen Gesprächen erarbeitete Überzeugung „es gibt keine vernünftigen Grund für die Kreisfreiheit“ deutet für uns auf einen allzu lockeren Umgang mit den gesetzlichen Anforderungen zur Kreisfreiheit und vor allem mit dem Recht der Stadt auf kommunale Selbstverwaltung hin.
Tief blicken lassen Ansagen des FW-Abgeordneten zum beabsichtigten Umgang mit dem Anliegen der Stadt wie „ die Regierung werde wohl nicht die Möglichkeit nutzen, das Thema gleich im Ministerrat abzubügeln (!!). Auch wegen der medialen Aufmerksamkeit werde der Nuxit vermutlich in den Fachausschüssen und im Parlament diskutiert werden“.

Es wird doch hoffentlich nicht der „konstruktive und sachlich orientierte Regierungsstil“ der FW im Lande sein, der einen Abgeordneten – also einen Angehörigen der Legislative, die umgekehrt erwarten, dass die Gemeinden die Gesetze einhalten – dazu bringt, die in einem Landesgesetz genannten Voraussetzungen praktisch beliebig zu erweitern und dabei noch auf die avisierte Stellungnahmen der Regierung von Schwaben und im folgenden des Innenministeriums als Experten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verzichten zu können.

Wir schätzen es bei allem „Für und Wider“ in der Sache, das es natürlich gibt, sehr, wie sachlich der Vorsitzende des Innenausschusses, der Abgeordnete der Grünen Martin Runge, mit den Verfahrensfragen umgeht: „solange es die entsprechende Bestimmung in der GO (Art 5 Abs. 3) gibt, sind die einschlägigen Kriterien (Einwohnerzahl, Leistungsfähigkeit der dann kreisfreien Gemeinde, Leistungsfähigkeit des übrigen Landkreises) zu betrachten und zu beurteilen. Ob man das Auskreisungsbegehren per se im konkreten Fall bzw. im Hinblick auf „Ansteckungsgefahr“ für gut oder für weniger gut hält, darf bei der o.g. Beurteilung nicht die entscheidende Rolle spielen. Wer Auskreisungen und Begehrlichkeiten zu solchen generell verunmöglichen will, der muss sich an eine Änderung der Gemeindeordnung machen“. Wir vermuten mal, dass sich Herr Runge im Gegensatz zur FW beim Innenministerium erkundigt hat.

„Unterm Strich“ bleibt, losgelöst von der Frage der Kreisfreiheit für das Verhältnis Kreis Neu-Ulm zu Stadt Neu-Ulm eines fest zuhalten:

Die weiter dynamisch wachsende Stadt Neu-Ulm bewegt sich sehr zügig auf eine Einwohnerzahl von 65.000 Einwohnern zu, das nahegelegene Memmingen ist kreisfrei und hat derzeit etwa 45.000 Einwohner. Beim Landkreis Neu-Ulm gibt es für den Fall der fortgesetzten Kreisangehörigkeit der Stadt Neu-Ulm nach unserem Eindruck keinerlei strategische Konzeption wie mit den spezifischen Problemen der dynamisch wachsenden Stadt Neu-Ulm inmitten der anderen kreisangehörigen Städte und Gemeinden von Seiten des Kreises umgegangen werden soll. Am Beginn des Verfahrens um die Kreisfreiheit war vom Kreis noch zu hören „Man kann über alles reden…man kann manches arrangieren“, zwischenzeitlich gibt es abgesehen von einem schwerlich akzeptierbaren Angebot beim ÖPNV wohl nur noch die Vorstellung, mit einem „Weiter so“ die Zukunft gewinnen zu wollen. Hier Vorschläge zu machen, wäre im Übrigen auch ein breites Feld für unsere Landtagsabgeordneten gewesen.

Die Erwartung, dass der Kreis die unbestreitbaren Probleme rund um die Krankenhäuser, die Kreisumlage, das Lessing-Gymnasium oder den ÖPNV in Neu-Ulm noch irgendwie eine positive Richtung geben kann, sind ohnehin nicht mehr sonderlich hoch.

Wir setzen weiterhin darauf, dass der Wunsch der Stadt auf Kreisfreiheit entlang der gesetzlichen Regelung entschieden wird.“

Johannes Stingl