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ÖPNV – eine Mammutaufgabe

13. Januar 2022

In den nächsten Wochen und Monaten müssen wir diskutieren, ausarbeiten und klären, ob und wenn ja wie die Stadt Neu-Ulm die Aufgaben für den Öffentlichen Personennahverkehr vom Landkreis übernehmen könnte. Im ersten Schritt sind für uns noch viel der folgenden Fragen offen bzw. nicht geklärt:

Antrag der CSU-JU-Fraktionsgemeinschaft:

„ÖPNV – Übernahme der Aufgabenträgerschaft des Landkreises

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Albsteiger, sehr geehrte Damen und Herren,

die CSU-JU-Fraktionsgemeinschaft beantragt:

Punkt 1: Die Verwaltung berichtet im zuständigen Ausschuss darüber, welche konkreten Verhandlungsergebnisse bei den als noch offen dargestellten Fragestellungen entlang der Beschlussvorlage zur Sitzung des Stadtrats am 21.07.2021, zwischenzeitlich erzielt werden konnten. Dabei geht es insbesondere um:

  1. Linien:
  • Welche Linien gehen im Fall einer Aufgabenübernahme nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen konkret auf die Stadt über?
  • Besteht Einigkeit, dass auch die Linien 77 und 737 auf die Stadt übergehen?
  • Sind (alle) diese Linien aufgrund Direktvergabe der Konzessionen durch den Landkreis noch bis Ende 2026 festgelegt?
  1. Gesellschaftsverhältnis im DING-Verbund:
  • Welche Anteile der Gesellschaftsanteile des Landkreises gehen im Falle einer Aufgabenübernahme nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen konkret auf die Stadt über?
  1. Ausgabebelastung für die einzelnen Linien:
  • Stimmen nach den gegenwärtigen Erkenntnissen noch die Zahlen für die Ausgabebelastung, die für die Stadt mit 861.000 € angegeben waren?
  1. Verlusttragung für Harmonisierung und Durchtarifierung an die Verkehrsunternehmen:
  • Wurde zwischenzeitlich Einigkeit erzielt über den geeigneten Schlüssel zur Verteilung der Verlustanteile in Höhe von rund 320 T €, die der Landkreis an die SWU bezahlt?
  • Stimmen nach den gegenwärtigen Erkenntnissen noch die Zahlen für die Ausgabebelastung, die für die Stadt mit 290.000 € angegeben waren?
  1. Entlastung durch anteilige ÖPNV-Zuweisungen:
  • Gibt es mittlerweile weitere Berechnungen der Regierung von Schwaben zur Konkretisierung der nach gegenwärtigem Stand für die Stadt zu erwartenden anteiligen ÖPNV-Zuwendungen?
  1. Entlastung bei der Kreisumlage:
  • Ist der Landkreis der Bitte der Stadt, die Entlastung bei der Kreisumlage noch einmal anhand einer Modellberechnung mit Vorjahreszahlen darzustellen, zwischenzeitlich nachgekommen und ggf. welche Ergebnisse kamen dabei heraus?
  • Wurden bei der Berechnung der Kreisumlageentlastung zwischen Stadt und Kreis mittlerweile Einvernehmen darüber erzielt, dass die Personalkosten und der allgemeine Sachaufwand des Landkreises nicht unberücksichtigt bleiben sollen?
  • Trifft die seinerzeitige Einschätzung des Landkreises zur Entlastungswirkung von ca. 500 T€ aktuell noch zu oder muss diese angepasst werden?
  1. Finanzielles Gesamtfazit:
  • Wie hoch ist nach dem gegenwärtigen Stand wie zu erwartende finanzielle Mehrbelastung im städtischen Verwaltungshaushalt bei der Aufgabenübernahme im Status quo? (Seinerzeitige Annahme 300 T € ohne Personal- und Sachaufwand).
  • Der Verkehrsplaner des Landkreises (Sitzung des Ausschusses für Mobilität, Digitalisierung und Kreisentwicklung vom 11.11.2021) hat für reine Mehrkilometer („Neuvergabe“ Busverkehre im mittleren Landkreis) einen geschätzten Preis von 2,85 €/km sowie die entstehenden Mehrerlöse mit einem Anteil von 1/3 der Mehrkosten angegeben. Sind diese Zahlen auch eine etwaige „Rechnungsgrundlage“ für die Stadtverwaltung bei einer beabsichtigten Erweiterung/Erhöhung der Linienverkehre nach Übernahme des ÖPNV?
  1. Zusätzlich entstehende Personalkosten und Sachkosten bei der Stadt:
  • Wie hoch werden nach dem gegenwärtigen Stand die voraussichtlich zusätzlich anfallenden Personal- und Sachkosten sein?
  • Wie ist bei einer Stellenmehrung für diesen Aufgabenbereich die Eingruppierung?
  • Welches Personal ist bereits bei der Stadt Neu-Ulm vorhanden, um diese Arbeitstätigkeit zu übernehmen? (Mit welchem Zeitanteil?)
  1. Gemeinsamer Nahverkehrsplan mit der Stadt Ulm:
  • Gibt es bereits konkrete Schritte für den beabsichtigten Nahverkehrsplan der beiden Städte Ulm und Neu-Ulm?
  • Kann die Erstellung des Nahverkehrsplan erst nach einer ÖPNV-Aufgabenübernahme durch die Stadt Neu-Ulm erfolgen oder bereits zu einem früheren Zeitpunkt?
  1. Etwaige Aufgabenübernahme bereits ab 2023:
  • Der Stadt Neu-Ulm bleibt bei einer Aufgabenübernahme ab 2023 zunächst aufgrund der Direktvergabe der Linien bis Ende 2026 wenig Verbesserungspotential. Ist die Frage der Übernahme der Kosten des Defizits des ÖPNV im Bereich Neu-Ulm bei einer Zuständigkeit der Stadt ab dem Jahr 2023 mit dem Landkreis geklärt?
  • Ist grundsätzlich eine Übernahme des Defizits von 2023 bis 2026 durch den Landkreis bei einer Zuständigkeit der Stadt Neu-Ulm unter rechtlichen Vorgaben möglich?
  1. Zusammenarbeit mit der Stadt Ulm bei einer Aufgabenübernahme des ÖPNV:
  • Wie würde sich bei einer Aufgabenübernahme des ÖPNV für die Stadt Neu-Ulm aus Sicht der Verwaltung die Zusammenarbeit mit der Stadt Ulm gestalten (Stichwort: gemeinsamer Nahverkehrsplan etc.)?
  • Wäre eine gemeinsame Vergabe der beiden Donaustädte Ulm/Neu-Ulm im ÖPNV aufgrund der trennenden Landesgrenze unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich?

Punkt 2: Die Verwaltung berichtet im zuständigen Ausschuss über den konkreten Stand bei der vom Stadtrat am 3. Juli 2019 beschlossenen Potenzialanalyse zur Abschätzung der Gestaltungsmöglichkeiten bei der ÖPNV-Aufgabenübernahme.

Punkt 3: Die Verwaltung berichtet im zuständigen Ausschuss darüber, ob in den Verhandlungen mit dem Kreis geklärt werden konnte, wie im Falle einer Aufgabenübernahme durch die Stadt bereits zum 01.01.2023 mit den zwischen 2023 und 2026 anfallenden ÖPNV-Lasten verfahren werden soll?

Punkt 4: Die Verwaltung stellt im zuständigen Ausschuss dar, ob und inwieweit die finanziellen Zusatzbelastungen durch die Aufgabenübernahme im ÖPNV mit der dauerhaften finanziellen Leistungsfähigkeit der Stadt im Einklang stehen (siehe mittelfristige Finanzplanung 2022 ff).

Begründung:

In Anbetracht der schwierigen Ausgangslage für die Verhandlungen mit dem Kreis entsprach das in der Sitzung des Stadtrats am 21.07.2021 vorgetragene Zwischenergebnis von den Verhandlungen durchaus den Erwartungen unserer Fraktion. Der ÖPNV und dessen Verbesserung in Neu-Ulm ist nicht zuletzt in Zeiten des Klimawandels ein wichtiges Aufgabenfeld für die Stadt, um das wir uns intensiv kümmern wollen und um das es sich ggf. auch kontrovers zu diskutieren lohnt.

Wir gehen davon aus, dass die Verhandlungen mit dem Kreis zwischenzeitlich weitere Ergebnisse zur Konkretisierung der Rahmendaten im Falle einer Aufgabenübernahme durch die Stadt hervorgebracht haben, über die der Stadtrat nunmehr zur eigenen Entscheidungsvorbereitung informiert werden sollte.

Bei der Beurteilung der Aufgabenübernahme im ÖPNV geht es uns neben finanziellen, rechtlichen und planerischen Aspekten vor allem um eine strukturierte Einschätzung der Leistungsfähigkeit. Und zwar mit der Frage, ob die zu erwartenden finanziellen Belastungen für die Stadt einerseits mit der dauernden Leistungsfähigkeit des Stadthaushalts in Einklang gebracht werden kann. Aber es muss andererseits auch wichtig dabei sein, dass ein hoffentlich gewonnener Gestaltungsspielraum in einem vernünftigen Verhältnis zu einer beabsichtigten Verbesserung des ÖPNV-Angebots steht. Dieser Gestaltungsspielraum wird in den Jahren 2023 bis 2026 nach unserer Einschätzung eher gering sein.

Auch für die Zeit nach 2027 sind uns strukturierte Überlegungen der Verwaltung zum geplanten Verbesserungsvolumen und den hierfür zu erwartenden Kosten nicht bekannt. Allein mit Status-Quo-Betrachtungen kann aus unserer Sicht eine Entscheidung zur Aufgabenübernahme nicht getroffen werden. Hierzu muss von der Stadt ermittelt werden, ob die für die Übernahme durch die Stadt vorgesehenen Linien diese notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten in einem nennenswerten Umfang eröffnen, die zu den finanziellen Auswirkungen in einem vernünftigen Verhältnis stehen.

Diese Abwägung geht bei uns nicht so eindeutig in Richtung ÖPNV-Aufgabenübernahme, wie wir es vielleicht selbst erhofft haben und wie es auch unserem eigenen Anspruch entspricht. Wir suchen den Weg, dem „bisherigen ÖPNV“ in Neu-Ulm zu neuen Höhenflügen zu verhelfen und wie wir dem gerecht werden können.

Das finanzielle Gesamtfazit bei der Aufgabenübernahme im ÖPNV mit zusätzlichen Ausgaben von 300 T € jährlich, ohne zusätzlichen Personal- und Sachaufwand, für den „Status quo“ d.h. noch ohne Ausgaben für Verbesserungen, sind – schon jetzt absehbar – keine zu vernachlässigenden Größen im Stadthaushalt.  Nach 2027 erwarten wir hier noch deutlich erhöhte Ausgaben.

Die verwaltungsmäßige Erledigung der Aufgabe innerhalb der Stadtverwaltung und die Kosten hierfür müssen dringend geklärt werden. Die bisherige „Zuschauerrolle“ wird durch aktives Gestalten von Verkehrsleistungen, rechtlichem und wirtschaftlichem „Know How“ ersetzt werden müssen, dies macht eine dezernatsübergreifende Organisation unverzichtbar.

Aus unserer Sicht müssen auch die Personalkosten und Sachkosten des Kreises bei der Kreisumlageentlastung für die Stadt in die Betrachtung einbezogen werden.

Durch die im Juli 2019 beauftragte Potenzialanalyse haben wir auf strukturierte und aussagekräftige Ergebnisse zum Gestaltungspotenzial der voraussichtlich 12 städtischen von gesamt 26 Linien, gehofft. Diese Ergebnisse müssen zeitlich parallel zum Stand der Verhandlungen in finanzieller und rechtlicher Hinsicht vorliegen. Nur so kann die Frage der Aufgabenübernahme in einem Paket zeitnah entschieden werden. Zu diesem Zweck kann im Stadtrat im Entscheidungszeitpunkt nicht auf die konkreten Ergebnisse der ÖPNV-Potenzialanalyse für die Zeit von 2023 bis 2026 und ab 2027 verzichtet werden.

Besten Dank für die Mühe. Mit freundlichen Grüßen
Johannes Stingl, Fraktionsvorsitzender
Jürgen Salzmann, Stadt- und Kreisrat“