Temporäres Aufstellen von Containern in Reutti
10. März 2023Containerbau im Außenbereich – ist für uns nicht akzeptabel. Nach unserer Ansicht sprechen hier wesentliche Argumente dagegen.
Sitzung Bauausschuss 08.03.2023, TOP 2 Bauvorhaben „Temporäres Aufstellen von Containern zur Unterbringung von Flüchtlingen“, Reutti
Stellungnahme der CSU-Fraktion:
Der Bauantrag betrifft ein Bauvorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB. Ein Bereich der allgemein als schützenswert angesehen wird.
Im Radio haben wir mehrfach vernommen, dass die Stadtverwaltung das Aufstellen der Container ablehnt – in der Vorlage können wir dazu leider keine konkrete Aussage finden. Darum haben wir uns die Mühe gemacht, hier etwas ins Detail zu gehen und da die Verwaltung keine Argumente gegen den Bauantrag anbietet, müssen leider wir die Fragen/Fakten staubtrocken und langatmig in die Debatte einbringen. Wir hätten uns den Aufwand gerne gespart.
Folgende Fragen zum Bauantrag:
- Frage der Erschließung: wie soll die Strom- und Wasserversorgung sowie Abwasserbeseitigung erfolgen? Anders als bei privilegierten Vorhaben darf die Gemeinde bei sonstigen Vorhaben (das wäre hier so eines) das Angebot des Bauantragstellers, die Erschließung selbst durchzuführen, ablehnen, auch wenn es öffentliche Belange nicht beeinträchtigt (BVerwG DVBl 1986, 679). Eine „gesicherte Erschließung“ ist für Vorhaben sowohl nach § 35 Abs. 1 als auch § 35 Abs. 2 BauGB notwendig.
- Frage der Bäume: Laut Plan müssen für das Vorhaben ja wohl sämtliche Bäume auf dem bisherigen Parkplatz gefällt werden? Passt das zur Stadtstrategie, Neu-Ulm grüner zu machen?
- Öffentliche Belange könnten – entgegen der Behauptung der Verwaltung – dem Vorhaben entgegenstehen:
- Nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet. Wegen § 246 Abs. 9 BauGB i.V.m. § 35 Abs. 4 BauGB kann hier nur auf das Orts- und Landschaftsbild eingegangen werden – aber das ist wohl eines der stärksten Argumente!
Das BVerwG ZfBR 2002, 597 stellt dabei darauf ab, ob das Bauvorhaben dem Landschaftsbild (gleiches wird angenommen hinsichtlich des Ortsbildes) in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird. Die Verunstaltung des Ortsbildes bezieht sich vor allem auf Lage und Stellung der baulichen Anlagen, also auf die Standortfrage in Bezug auf die Ansicht eines Ortes oder Ortsteiles.
Hier haben wir den direkten Ortseingang von Reutti – sozusagen die Visitenkarte eines Ortes!
Eine Verunstaltung liegt vor, wenn der Gegensatz zwischen der baulichen Anlage und dem Ortsbild von dem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend oder Unlust erregend empfunden wird.
Hier haben wir zweimal zweistöckige Containeranlage in einem 90-Grad-Winkel, die wie ein Abwehr-Bollwerk am Ortseingang stehen. Sieht aus wie ein Bundeswehr-Feldlager im Ausland.
- Nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet. Wegen § 246 Abs. 9 BauGB i.V.m. § 35 Abs. 4 BauGB kann hier nur auf das Orts- und Landschaftsbild eingegangen werden – aber das ist wohl eines der stärksten Argumente!
- Gebot der Rücksichtnahme: § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB benennt die betroffenen öffentlichen Belange nicht abschließend. Ein ungeschriebener öffentlicher Belang ist das Gebot der Rücksichtnahme. Wir sehen dieses Gebot der Rücksichtnahme als verletzt an:
- Die „Infrastruktur“ in Reutti ist bezogen auf die Aufnahme von gesamt ca. 120 Flüchtlingen nicht genügend leistungsfähig:
- Es fehlen Plätze für Kinderbetreuung und Schule in Reutti
- Fehlende Einkaufsmöglichkeiten in Reutti
- Die Einwohnerstruktur ist in Reutti 1.738 Einwohner, ca. 120 Flüchtlinge das wären knapp 9 %
- Verteilung von Flüchtlingen auf die Kreisgemeinden ist völlig ungleich
- Vorbelastungen für Neu-Ulm z.B. Ankerzentrum Neu-Ulm wird in keinster Weise in die Überlegung mit einbezogen!
- Nicht zu vergessen: den kürzlich genehmigten Flüchtlingscontainer im Industriegebiet
Wir hätten noch einige Punkte und Paragrafen, die wir hier aufführen könnten, aber wir werden es vorerst dabei belassen. Bei Bedarf können wir aber gerne noch nachreichen.
Wir glauben nicht, dass der Investor die Container abräumt, sobald er in ca. einem Jahr – nach Aufstellung des Bebauungsplanes – eventuell eine Baugenehmigung für den Umbau und Erweiterung des Hotels erhalten würde. Die Aufwendungen für die Container sind doch auch beträchtlich. Derzeit sind die Baupreise sehr hoch und gleichzeitig die Zinsen, so dass jeder größere Investor momentan erst einmal abwartet, wie es sich entwickelt. Der Investor hat hier Zeit bis 2027, die Container stehen zu lassen. Eine erteilte Baugenehmigung gilt für vier Jahre. Für ein paar Monate lohnt sich die Aufstellung der Container nicht, also müssen die schon ein paar Jahre stehen bleiben.
Spannend dann die Entscheidung des Investors: Entweder Container oder Umbau Hotel in Wohnungen? Beides geht, zumindest gleichzeitig, nicht.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bundesgesetzgeber die Frist (2027) verlängern wird, ist auch sehr groß, weil sich die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung auf absehbare Zeit wohl nicht ändern und der Zustrom weiterer Asylbewerber nicht abebben wird.
Also wird uns erstmal das Thema Container für Asylbewerber/Flüchtlinge länger erhalten bleiben, als man beim heutigen Antrag „Temporäres Aufstellen“ vermuten könnte.
Aus den oben genannten Gründen erscheint uns ein Containerdorf an dieser Stelle in Reutti nicht akzeptabel.
Und wir werden den Antrag daher ablehnen.“
Waltraud Oßwald
Anm.: Abstimmung der Verwaltungsvorlage 3 Ja-Stimmen, 15 Ausschussmitglieder lehnten den Bauantrag ab.