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Volkstrauertag Burlafingen 2022

14. November 2022

Zu den Besonderheiten des Volkstrauertags in Burlafingen gehörte in diesem Jahr, dass eine Abordnung des Bundeswehrkrankenhauses eine Ehrenwache gestellt hat. Zwei Soldatinnen und ein Soldat, die im Alltag in der Notaufnahme und als Notfallsanitäter arbeiten haben während der gesamten Veranstaltung die Ehrenwache gehalten.

Ansprache des Zweiten Bürgermeisters und Vorsitzenden der CSU-Stadtratsfraktion Johannes Stingl am Sonntag, 13. November 2022

„Hoch verehrte Geistlichkeit, lieber Christian Glöckler (Vorstand Vereinsring Burlafingen),
meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

herzlichen Dank an den Vereinsring Burlafingen für die Organisation dieser Gedenkveranstaltung und den würdigen Rahmen, den Sie gemeinsam mit den Kirchen, dem Musikverein, den Böllerschützen und der Bundeswehr hierfür geschaffen haben.

Seit über 100 Jahren gedenken wir am Volkstrauertag der Kriegstoten und den Opfern der Gewaltherrschaft aller Nationen. Über 70 Millionen Menschen sind durch den Zweiten Weltkrieg zu Tode gekommen. Viele weitere Millionen Menschen verloren ihre Gesundheit, ihre Angehörigen, ihre Heimat oder ihren Lebensmut – oder sie mussten bis zu zehn Jahre in Kriegsgefangenschaft aushalten.

Unsere europäischen Nachbarn und ehemaligen Kriegsgegner haben uns die Hand der Versöhnung gereicht. Dies ist ein wertvolles Geschenk, das es zu bewahren gilt. Dies erfordert, dass wir das entstandene Leid, auch das der anderen, nicht vergessen.
Der Volkstrauertag steht für Gedenken und Innehalten, für Empathie und Mahnung, für Verständigung und Versöhnung! Er ist auch eine Brücke in die gemeinsame friedliche Zukunft Europas.

Die Menschheit hat aus den schrecklichen Erfahrungen der beiden Weltkriege leider nicht überall gelernt. Hass und Ausgrenzung gegenüber Menschen, die einen anderen Glauben, eine andere Hautfarbe haben oder einer anderen Ethnie entstammen, nehmen zu. Wir müssen uns auch schmerzlich bewusst machen, dass es weltweit betrachtet, keine Selbstverständlichkeit ist, in einer funktionierenden Demokratie zu leben. In Frieden und Freiheit in einem europäischen Völkerverbund zu leben, der sich die Einhaltung der Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben hat.
Seit Februar, wenn wir präzise hinschauen, eigentlich bereits seit der Annexion der Krim im Jahre 2014, herrscht wieder Krieg in Europa. Russland hat mit dem Angriff auf die Ukraine erneut das Völkerrecht und alle Regeln der Nachkriegsordnung in Europa gebrochen.
Im Jahr 2022 müssen wir Bilder aus der Ukraine sehen, von denen wir gehofft hatten, dass sie sich gerade auf unserem Kontinent niemals wiederholen: Menschen, die vor Bomben in U-Bahnschächte fliehen, die sich an der Grenze von ihren Familien trennen oder gar für immer Abschied nehmen müssen an langen, frisch ausgehobenen Grabreihen.

Wir sehen, was die Menschen erleiden müssen nach dem skrupellosen Überfall Russlands, für den Präsident Putin und die russische Regierung die politische Verantwortung übernehmen müssen.
Wir sehen, wozu Menschen in diesem Ausnahmezustand fähig sind – im Guten wie im Schlechten: Flüchtlingskonvois unter gezieltem Beschuss, geplünderte und zerstörte Städte und grausame Massaker an Zivilisten, aber auch erbitterter Widerstand von ukrainischen Soldaten, mutiger Protest von Zivilisten gegen Panzer und eine immense internationale Hilfsbereitschaft.

Mit diesem brutal angegriffenen Land und seinen Menschen trennt und verbindet uns vieles: eine gewaltvolle Vergangenheit, aber auch die Fundamente einer gemeinsamen Kultur und der Wille zur demokratischen Selbstbestimmung für eine friedliche Zukunft.
Am Volkstrauertag gedenken wir aller Toten von Krieg und Gewaltherrschaft in Deutschland und weltweit. Doch in diesem Jahr denken wir im Besonderen an die Kriegstoten und ihre Angehörigen in der Ukraine: der vielen in den vergangenen Monaten gefallenen Soldaten und getöteten Zivilisten. Unser Mitleid gilt aber auch den getöteten russischen Soldaten, die diesem verbrecherischen Krieg nicht ausweichen konnten und oft sogar mit einer falschen Wahrheit in die Pflicht genommen wurden.

Dieser Gedenktag gibt uns auch Anlass nachzudenken und besonnen, aber entschieden tätig zu werden. Aggression dürfen wir nicht hinnehmen und müssen daran erinnern, dass wir gemeinsam in Europa für Menschenrechte, Frieden und Freiheit eintreten.
Der Volkstrauertag gibt uns zudem einen Handlungsauftrag: uns aktiv für eine friedliche Gegenwart und Zukunft einzusetzen. Wir können uns aus den Konflikten um uns herum nicht heraushalten. Wir müssen uns lange ignorierten Realitäten stellen: „Nie wieder Krieg“ ist so eingängig wie zu kurz gegriffen, wenn wir auf die aktuellen Kriegsverbrechen in der Ukraine und anderswo schauen. „Die Menschenwürde ist unantastbar“ und zwar überall, dies gilt unverändert.

Und so möchte ich zum heutigen Volkstrauertag mit den traditionellen Worten des Bundespräsidenten von 1952, Theodor Heuss, den Toten gedenken. Worte, die im Laufe der Jahre immer wieder angepasst wurden und die auch nach langer Zeit immer noch aktuell sind:

„Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.
Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.
Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen – zu Hause und in der ganzen Welt“.

Frieden ist ein Schatz, den es zu pflegen und zu bewahren gilt. Es ist wohl das beste Erbe, das wir künftigen Generationen mit auf den Weg geben können.

Wir gedenken heute in Burlafingen der Toten und sind uns des Erbes bewusst.“

Johannes Stingl

(Text und Fotos: J. Stingl)