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Stellungnahme – Zukünftige Nutzung des Geländes der alten Halle Gerlenhofen

19. Juni 2021

Die weitere Nutzung des Geländes der alten Halle Gerlenhofen hat in der Vergangenheit zu Diskussionen geführt. Lesen Sie weiter die Stellungnahme der Fraktionsgemeinschaft von CSU und JU in der Stadtratssitzung vom 17.06.2021.

„Besten Dank an die Verwaltung für die Vorstellung der einzelnen Nutzungsoptionen für das Grundstück der alten Mehrzweckhalle in Gerlenhofen.

Die in der gemeinsamen Arbeitsgruppe diskutierten Optionen bewegen sich in einer relativ großen Bandbreite von „Kindertagesstätte/Betreute Seniorenwohnungen“ und „Pflegeheim, d.h. stationäre Pflege mit Betriebswohnungen“. Die genannte „Bandbreite“ lässt bei allseitiger Kompromissfähigkeit natürlich Spielräume in die eine oder andere Richtung offen.

Dennoch meinen wir, dass es in diesem Verfahren auch bestimmter Richtungsentscheidungen bedarf, um das Projekt tatsächlich voran zu bringen. Es geht da auch um „Eckpunkte“ aus Sicht der Stadt.

Für unsere Gesamtabwägung wurden viele Gesichtspunkte in der Fraktion intensiv diskutiert.

Aus der Gemeindeordnung hat die Stadt die örtliche Allzuständigkeit, sich für das Wohlergehen der Bevölkerung ein zu setzen, d.h. für die jüngsten und natürlich auch die ältesten Einwohner/innen. Aus dem Begriff „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ zu „regeln“, ergibt sich die universelle oder Allzuständigkeit der Gemeinden. Die Aufgabengarantie enthält die Befugnis der Gemeinden, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz aus Gemeinwohlgründen anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, im Sinne eines ersten „Zugriffsrechts“ ohne besonderen Kompetenztitel annehmen zu können.

Für unsere bürgernahe Kommunalpolitik ist es dabei selbstverständlich, dass hierbei auch Belange eine große Rolle spielen, die von den Bürgerinnen und Bürgern, wie jüngst durch ISEK oder durch den Förderverein in Gerlenhofen vorgetragen, entsprechend in die Diskussion einbezogen werden. Das schließt selbstverständlich auch das Bemühen der Politik um einvernehmliche Lösungen ein, was aber bisweilen auch eine gewisse Kompromissbereitschaft auf allen Seiten notwendig macht.

Die Stadt hat sich zumindest in die Richtung „Betreute Seniorenwohnungen“ schon deutlich weg bewegt von dem ursprünglichen Nutzungsansatz einer herkömmlichen Wohnbebauung. Eventuell besteht auch noch Spielraum bei der Vereinbarung weiterer Dienstleistungen für die Seniorenwohnungen z.B. im Bereich der Pflege.

 

  1. Aufgabencharakter, Priorisierung von städtischen Aufgaben

Die Sicherstellung eines ausreichenden Betreuungsangebots für die Kinder durch die Bereitstellung von Plätzen in Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege ist eine kommunale Pflichtaufgabe, begleitet von Stichworten wie „Wunsch- und Wahlrecht der Eltern“ und „Rechtsansprüche der Eltern“. Die Stadt hat hier eine aktuelle Bedarfsplanung, die in den nächsten Jahren den Bau von KiTas praktisch zur Daueraufgabe werden lässt. Wir nehmen diese Aufgabe im Interesse der Kinder und der Eltern, Großeltern sehr ernst. Das zeigt sich auch daran, dass der Ausschuss für Bildung, Familie und Kultur am 8.6.2021 für 4 weitere KiTas bis 2024 die Bedarfsanerkennung ausgesprochen hat, darunter die KiTa in Gerlenhofen, die im September 2024 in Betrieb gehen soll.

Wir halten eine Abwägung, die zu dem Ergebnis kommt, dass ein Kindergarten neben einem Seniorenheim „nun gar nicht gehe“, schlicht für falsch. Gerade das Zusammenspiel von „Jung und Alt“ an einem Ort sehen wir als Vorteil für beide Einrichtungen, für ganz junge Menschen und für die älteren Menschen. Aus unserer Sicht gehört ein Kindergarten in die Dorfmitte!

Wir möchten auch die jungen Familien mit Kindern im Ort unterstützen. Wir müssen hierbei die KiTa-Projekte im Interesse genau dieser jungen Familien zügig realisieren. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass zentral in Gerlenhofen auf einem städtebaulich gut geeigneten Standort, der sich im städtischen Eigentum befindet, gebaut wird. Wir sind dagegen, dass für die Kindertagesstätte Standorte am Ortsrand ausgewählt werden.

Die Standortvorschläge des Fördervereins zum Standort des neuen Kindergartens möge man gerne prüfen, in Fragen der zentralen Lage, der städtebaulichen Eignung und der Verfügbarkeit liegt die „Latte“ durch das Grundstück  Alte MZH“ aber schon sehr hoch.

Altenhilfe und Altenhilfeplanung, d.h. die Festlegung des für den Bereich des Landkreises erforderlichen längerfristigen Bedarfs an teil- und vollstationären Altenpflegeeinrichtungen, ist nach dem Bayerischen Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze Aufgabe der Landkreise und der Kreisfreien Städte (§ 69, 71,72,73 AGSG).

Das seniorenpolitische Gesamtkonzept des Landkreises Neu-Ulm aus dem Jahr 2010 bietet für die konkrete Bedarfsermittlung zur stationären Altenhilfe in Gerlenhofen keine ausreichende Grundlage. Die Altenhilfeplanung in der Art und Weise  fort zu schreiben, dass für Gerlenhofen konkrete Bedarfszahlen auf den Tisch kommen, die auch im Zuschussverfahren für die Investitionsförderung verwendet werden können, ist Sache des Landkreises Neu-Ulm und nicht der kreisangehörigen Stadt Neu-Ulm.

Die Erarbeitung von belastbaren Bedarfsschätzungen, die im Antrag der SPD-Fraktion der Stadt Neu-Ulm nun zur Erledigung zugeordnet  werden sollen, die das dann in Zusammenarbeit mit dem Kreis bewerkstelligen soll, lehnen wir in Anbetracht der eindeutigen Zuständigkeiten des Kreises ab. Der Ansatz der Altenhilfeplanung des Landkreises ist die kreisweite Betrachtung bei der Versorgung mit z.B. stationären Plätzen, da bringt uns eine stadtteilbezogene Betrachtung nicht weiter.

Wir haben in Pfuhl im Jahr 2015 bei den „Drei Taubenschlägen“ genau diese Erfahrung gemacht, dass eine konkrete Betrachtung des Projekts, also des Pflegeheims in Pfuhl mit seinen vollstationären Pflegeplätzen, letztlich sowohl  vom Bezirk Schwaben als überörtlicher Sozialhilfeträger als auch vom Landkreis abgelehnt wurden u.a. deshalb weil von den 1.370 Heimpflegeplätzen im Kreis nur 1.247 Plätze (92%) zum 30.9.2015 tatsächlich belegt waren und weitere stationäre Plätze in anderen Kreisgemeinden vor der Betriebsaufnahme standen.

Hier ist der Landkreis Neu-Ulm dringend aufgefordert, seine Altenhilfeplanung und sein seniorenpolitisches Gesamtkonzept 2010 zügig auf den aktuellen Stand zu bringen, da wir nicht nur in Gerlenhofen sondern auch in Neu-Ulm konkret wissen müssen, wie es der Landkreis z.B. mit stationären Plätzen künftig halten will.

Wir werden als kreisangehörige Stadt nicht den „Job“ des Landkreises in der Altenhilfeplanung übernehmen!

 

  1. Finanzielle Auswirkungen und städtischer Haushalt

Bei der Frage, wie das Grundstück der Alten Halle Gerlenhofen künftig genutzt werden könnte, dürfen finanzielle Auswirkungen nicht „außen vor“ bleiben.

Ein Blick in die „Historie“ der alten und der neuen Mehrzweckhalle hilft hier möglicherweise weiter:

Der Stadtrat hat bei seinem final einstimmig gefassten Baubeschluss in der Sitzung am 27.09.2017 dem Neubau der Mehrzweckhalle mit Gesamtkosten von 5,5 Mio € zugestimmt. Die Fertigstellung war damals auf Ende 2019 angestrebt worden. Unter der Rubrik „Verwertung des alten Grundstücks“ war in den Sitzungsunterlagen zu lesen: „Bei einer Verlegung der MZH Gerlenhofen könnte das bestehende Grundstück für eine Nutzung als Wohnbaugrundstück verwertet werden. Der mögliche Grundstücksverkaufserlös nach Abbruch der alten Halle könnte nach Einschätzung der Verwaltung bei ca. 1,1 Mio € liegen“. Der Baudurchführungsbeschluss wurde vom Stadtrat in der Sitzung am 27.07.2018 nochmals einstimmig geändert, die Baukosten wurden auf knapp 5,8 Mio € erhöht, die 1,1 Mio € Grundstückserlöse wurden so belassen.

Uns ist klar, „Geld allein macht auch nicht glücklich“, aber es kann nicht sein, dass Überlegungen zu Folgenutzungen für das Grundstück verfolgt werden und deren Finanzwirkungen auf den städtischen Haushalt d.h. hier in Gerlenhofen für die Refinanzierung der Baukosten für die neue Halle, nun völlig ausgeblendet werden sollen.

Die Variante, die in der NUZ beschrieben wird, die Stadt ist Bauherrin (des Pflegeheims) und muss auch das Millionenprojekt (ca. 17 bis 20 Mio €) realisieren (bis 2024) scheitert an unseren „Haushaltsrealitäten“.

Nach dem Finanzplan 2020 bis 2024 zum Haushaltsplan 2021 ergibt sich bei den Eckwerten zum Haushaltsjahr 2022 eine Entwicklung, die den städtischen Haushalt 2022 an den Rand der haushaltsrechtlich geforderten „dauerhaften Leistungsfähigkeit“ führen:

  • Keine Zuführungsrate vom Verwaltungshaltungshaushalt zum Vermögenshaushalt
  • „Umgekehrte Zuführung“ vom Vermögenshaushalt in den Verwaltungshaushalt in Höhe von 1,584 Mio €
  • Steigerungen bei den Ausgaben für die Kreisumlage im Vergleich zu 2021 von über 9 Mio € (von 35,1 Mio € auf 44,8 Mio €)
  • Steigerung bei den Personalausgaben von 48,9 Mio € (2021) auf 50,449 Mio € (2022) und 53,4 Mio € (2024)
  • Anhaltend hohes Investitionsvolumen von über 30 Mio €, auch ohne das Seniorenheim Gerlenhofen
  • Entnahme aus der allgemeinen Rücklage von 7,76 Mio €
  • Kreditaufnahme von 6 Mio €

Das heißt im Klartext: In den nächsten Jahren wird sich ohne einen „gesicherten“ externen Investor und ohne eine „gesicherte Betriebsträgerschaft“, die jeweils eigenes Geld bereitstellen, nicht viel tun  können in Sachen Altenpflegeheim.

Die Stadt Neu-Ulm steht als weder als Bauherr noch als Investor beim Bau eines Altenpflegeheims zur Verfügung.

 

  1. Fazit:

Wir werden heute in einer ersten Richtungsentscheidung dem Beschlussvorschlag zu einer Option „Senioreneinrichtung und KiTa“ zustimmen. Dabei gilt bei der „Senioreneinrichtung“ unsere ganz klare Präferenz den betreuten Seniorenwohnungen und dem Mehrgenerationenwohnen. Wir möchten mit unserer heutigen Zustimmung die weiteren Überlegungen und Planungen in städtebaulicher und betrieblicher Hinsicht und die Bürgerbeteiligung auf den Weg bringen.“

Johannes Stingl