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Noch eine Reihe offener Fragen zum Bahnübergang Gerlenhofen

9. August 2023

Bisher hatte die Bahn, trotz der bedauerlichen, schweren Unfälle (schon vor 2023), keinen Anlass gesehen, dass hier der Pfeifton erforderlich ist. Warum also erst jetzt im Alleingang der Pfeifton in Gerlenhofen? Zur Verkehrssicherungspflicht der Bahn an unbeschrankten Bahnübergängen und damit auch zu den Strafanzeigen von 2 FWG-Stadträten gibt es bereits mehrere einschlägige Gerichtsurteile bis hin zum BGH. Warum also dieser Alleingang mit dem Pfeifton in Gerlenhofen? Nur weil zwei übereifrige Stadträte, die es eigentlich besser wissen müssten, Anzeige erstattet haben? Und wir haben noch viel mehr Fragen an die DB.

„Lesen Sie hier unseren kompletten Brief an die DB:

Pfeiftafeln, Pfeifsignale am Bahnübergang in Neu-Ulm/ Gerlenhofen St. Wolfgang-Straße

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns nochmals für Ihre schnelle Antwort auf unsere Anfrage vom 21.07.2023. Wir hatten aber ja bereits angekündigt, dass wir hier nach Rücksprache mit unserer Fraktion nochmals Stellung nehmen werden.
In der Zwischenzeit haben sich verständlicherweise auch die Reklamationen der Anwohner vermehrt und verstärkt. Verschiedene Anwohner haben mit unserer Fraktion Kontakt aufgenommen. Die fraktionsinterne Befassung und die Themen, die aus der Bürgerschaft an uns herangetragen wurden, machen deutlich, dass es tatsächlich noch eine Reihe offener Fragen gibt. Wir möchten Sie in Ergänzung Ihrer Stellungnahme vom 24.7. um die Beantwortung folgender Fragestellungen bitten:

 

  1. Bisheriges Verfahren zur Einführung der Pfeiftafeln und Pfeifsignale

Es ist doch Tatsache, dass bisher die DB diese wichtige Überfahrt für Rettungsfahrzeuge, große landwirtschaftliche Maschinen usw. unwidersprochen in der jetzigen Form (bis Anfang Juli 2023) für ausreichend gehalten hat. Wir hatten den Eindruck, dass diese Sichtweise auch nach dem höchst bedauerlichen, schweren und tödlichen Unfall im Mai bei der DB noch gegeben war. Bisher hatte die Bahn, trotz der schweren Unfälle (schon vor 2023), keinen Anlass gesehen, dass hier der Pfeifton erforderlich ist.

Auffällig dabei ist, dass nach dem letzten Unfall das Hupen nicht unverzüglich, sondern erst Monate später verfügt und diese Maßnahme nach Auskunft unserer Stadtverwaltung auch nicht mit dieser abgestimmt war, also einen Alleingang der Bahn darstellt. Ansonsten erfordern Änderungen an Bahnübergängen aufwändige Verfahren.

Warum also erst jetzt im Alleingang der Pfeifton in Gerlenhofen?

 

  1. Verkehrssicherungspflicht an unbeschrankten Bahnübergängen und Strafanzeigen von Stadträten

Wir wollen uns auf keinen Fall eine Beurteilung der Verkehrssicherungspflichten der Bahn an unbeschrankten Bahnübergängen anmaßen oder uns in Zuständigkeiten der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte einmischen, die im Falle von Verstößen gegen die Verkehrssicherungspflichten, tätig werden.

Dennoch erscheint uns als eine gewisse allgemeine Linie in der Rechtsprechung zu Verkehrspflichten bzw. Unfällen an Bahnübergängen erkennbar, die wir im Falle des Gerlenhofener Bahnübergangs auch ohne Pfeifton bisher als eingehalten angesehen haben:

„Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, auch verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst danach die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Denn eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar.“.

Z.B. Urteile des BGH: „Denn eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar (BGH VersR 2003, 1319; VersR 2007, 762) oder OLG Koblenz (MDR 1999, 39): Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginnt grundsätzlich erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist. Publiziert am 15. Januar 2021 von raskwar auf Facebook und Twitter.

Im Übrigen ist sicherlich unbestritten, dass im Hinblick auf das regelgerechte Verhalten an Bahnübergängen (§ 19 StVO) eine gewisse Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer/-innen erwartet werden kann, die einem „Übermaß“ an Absicherungsmaßnahmen und dadurch verursachter Gesundheitsgefährdung zu Lasten der Einwohnerschaft und der Tierwelt doch auch Grenzen setzen müsste.

Nach der Drucksache des Deutschen Bundestages Nr. 19/29164, Berichtsjahr 2020 gibt es im Besitz der DB Netz AG 579 unbeschrankte Bahnübergänge.

Wird nun nach der Entscheidung zum Hupen am unbeschrankten Bahnübergang in Gerlenhofen an allen anderen unbeschrankten Bahnübergängen auch gehupt?

Warum also dieser Alleingang mit dem Pfeifton in Gerlenhofen? Nur weil zwei übereifrige Stadträte, die es eigentlich besser wissen müssten, Anzeige erstattet haben?

 

  1. Weiteres Verfahren

Gegenwärtig wäre es aus unserer Sicht geboten, mehr Vernunft an den Tag zu legen. Für die lärmgeplagten, gestressten Bürger/innen bleibt im Moment das Fazit: Die Bahn hat Angst wegen der Strafanzeigen und Sorgen wegen evtl. rechtlicher Maßnahmen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerlenhofener Bürger müssen deswegen übermäßig leiden? Das kann nicht das Ziel der Sicherungsmaßnahme sein.

Also: der Pfeifton, dieses gesundheitsgefährdende Alarmsignal, muss dringend nochmals auf den Prüfstand und es muss schnellstens nach einer gemeinsamen und geräuschärmeren Lösung gesucht werden. Hilfreich wäre hierbei sicherlich, wenn die DB gemeinsam mit der Stadt einen Termin für ein Treffen vor Ort mit den betroffenen Anwohnern in Gerlenhofen anbieten würde.

 

  1. Überlegungen zur Schließung des Bahnübergangs

Wir möchten nicht verhehlen, dass wir nach dem jetzigen Stand der Dinge einer Schließung des Bahnübergangs skeptisch gegenüberstehen. Es ist noch „deutlich Luft nach oben“, etwa durch Aufhebung der Pflicht für das Pfeifsignal für die Lokführer, einer Änderung der Wegeführung am Bahnübergang oder geräuschärmeren Warnmethoden verträglichere Lösungen zu erzielen.

Außerdem geben wir zu bedenken:

Eine Umfahrung bis zum nördlichen Übergang bedeutet für Rettungsdienste einen unnötigen zusätzlichen Zeitaufwand (Beachtung und Einhaltung der Einsatzfristen usw.). Eine Vergrößerung – Verbreiterung – der Straße ist wegen der vorhandenen Bebauung nicht möglich.

Wo in Deutschland ist das Gelände um einen Bahnübergang mit Absperrgittern gesichert? Da müsste die DB oder die Gemeinden viele, viele hunderte Kilometer einzäunen. Und dass eine Einzäunung absolut nichts bringt, haben wir erst kürzlich an einem Fuß- und Radweg über die Donau gesehen. Die Brücke ist Einsturz gefährdet. Sie wurde von der Stadt erst gesperrt und als das nichts half, dann auch mit Absperrgittern versehen. Geholfen hat es absolut nichts. Die Bürger sind anfangs drüber geklettert und später haben sie sogar leider mit Gewalt die Absperrung herausgerissen.

Besten Dank für Ihre nochmalige Befassung mit dem Bahnübergang in Gerlenhofen.

Mit freundlichen Grüßen

Christiane Ade, Waltraud Oßwald, Johannes Stingl“